Tagebuch

Der Schuft

Es war um die Mittagszeit eines sehr heißen Junitages, als der Schuft, einer der fiesesten Bösewichter des Bahnhofsviertels, mit seinen mächtigen Quadratlatschen das Pflaster der Fußgängerzone peitschte. Er hatte am Morgen seine Wohnung – Parterre, 2 Zimmer, Küche, Bad – verlassen und befand sich nun auf Höhe Trinitatis-Kiosk. Drinnen befand sich ihr Anführer, ein finsterer rothaariger Kerl, der ließ den Würfelbecher kreischen.

„Da nimm es Alter, schütt‘ es auf die Zunge.“

Im Wilden Westen ein Deo auszuschlagen käme einer Beleidigung gleich.

„Danke, weißer Mann. Ich nicht stinken. Veilchenwasser.“

„Was, Du willst nicht? Dann soll es Dir ebenso ergehen wie der Rothaut, der ich…“

Aaaaaaaaaaaaaaaa. Klatsch. (Oder umgekehrt).

Schwindelnde Etiketten

Wir leben in einer Etiketten-Gesellschaft. Es kommt nicht mehr darauf an, was drin ist; es kommt darauf an, was drauf steht.

Ob der Käse scheiße schmeckt, ist egal, denn auf der Packung steht Engadiner-Trüffel-Schmaus. Die beste Wahl!

Ob der Zug 50 Minuten Verspätung hat und wegen Waggon-Mangel bis unter die Decke mit Passagieren vollgestopft, ist egal, denn es gibt das 49-Euro-Ticket.

Ob wir anderen das Maul und die Meinung verbieten, ist egal, denn das ist Demokratie.

Ob wir Milliarden von Waffen schmieden und verkaufen, ist egal, denn dies geschieht für Freiheit und (der neueste Popanz) Sicherheit.

Ob die TV-Show strunzlangweilig ist, ist egal, denn eine Awareness-Agency hat alle Witze überprüft und für unbedenklich und unverfänglich befunden.

Gestern Nacht ist mir mein Großvater im Traum erschienen…

Gestern Nacht ist mir mein Großvater im Traum erschienen und küsste mir die Füße. „Ach, hätten wir doch damals den Mut gehabt, den Ihr Löwen habt, Euch der braunen Soße entgegenzustemmen. All die schweren Plakate durch die kalten Innenstädte zu schleppen und sich per Whats-App-Status gegenseitig zu befeuern! Dazu hatten wir nicht die Courage, die Haltung und den Intellekt.‟ Tränen ronnen ihm durch sein zerfurchtes Gesicht. Ich wollte ihn trösten mit den Worten, nun gäbe es ja mich, der für seine Verfehlungen a posteriori aufstehe und sie sühne, da war sein Schatten schon in der trostlosen Einöde des Jenseits verschwunden, wo die kalten Winde heulen und ewiges Zähneknirschen und Tinnitus die Seelen der Sünder der Säumnisse peinigen. Traurig war ich, aber auch nicht wenig dankbar, dass es mir gegeben war, so viel aufrechter und besser als die Ahnen zu handeln und denken.

Nicht wenig später klopfte ein weiterer Geist an die Pforten meines Bewusstseins. Es war mein Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur.. etc…Ur-Großvater Inguiomer. Auch er heulte und knirschte mit den, übrigens gar nicht so schlechten, Zähnen. „Ach, hätten wir doch damals die Kenne gehabt, uns nicht den römischen Invasoren chauvinistisch und fremdenfeindlich im Teutoburger Wald entgegenzustemmen. Dann wären wir schon viel weiter mit der Körperhygiene gewesen und Du hättest in Latein keine Fünf gehabt.‟ Ich verzieh ihm großmütig. Angesichts von Köln war möglicherweise eine vollkommene Romanisierung der germanischen Gaue gar nicht so wünschenswert gewesen. Inguiomer verschwand im Nebel der Geschichte. At peace mit mir selbst zog ich die kuschelige Bettdecke bis unter mein Kinn.

Als wenig später mein Wikinger-Ahn Ragnar der Vergewaltiger selbstmitleidig, heulend, zähneknirschend und halitos vor dem Fußende des Bettes kauerte, beschloss ich vor dem Schlafengehen nicht mehr so viel Döner zu essen.

Der Schatz in der Silberzwiebel

Es war um die Mittagszeit eines sehr heißen Junitages, als der Hot-Dog, einer der mächtigen Imbisse der Innenstadt, mit seinen knusprigen Röstzwiebeln die Knospen des Gaumens kitzelte. Er hatte am Morgen noch im Tiefkühler gelegen und befand sich nun zwischen Gurken und Remoulade im Brötchen. Der Verkäufer, eine finstere rothaarige Gestalt, hielt, die Innenfläche nach oben gekehrt, seine rechte Hand ausgestreckt und fordernd dem Speisenden hin. Im Wilden Westen eine Tube Senf auszuschlagen käme einer Beleidigung gleich.

Von Emden nach Schiphol (Auszug)

„Sidhi, ich glaube, wir werden bald Ärger bekommen.“

„Wieso meinst Du das, Alex? Wir reisen in friedlicher Absicht.“

„Weil wir uns auf dem Gebiet der Holländer befinden.“

„Lagert dieser fahrende Stamm nicht in der Gegend von Sinna?“

„Das stimmt.“

„Aber wenn wir so weiter reiten, kommen wir nie und nimmer in die Gegend von Sinna, Newiski, oder nach Banane.“

„Willst Du sicher reisen, Effendi?“

„Nun, das versteht sich.“

„Siehst Du, Effendi, und ich auch.“

— — —

„Halt! Wer seid Ihr? Woher kommt Ihr?“

„Ich bin ein Effendi aus Bundesrepublikistan. Man nennt mich Gottfried Benn Emsi. Dies ist Gesundheit Alex Omar Scheriff und diese anderen beiden sind Gefährten aus dem Morgenmantel.“

„So ist der fünfte da jener Engländer, der in unseren Wattenmeeren geheime Nutten und Schriften ausgraben will.“

„Wie ich sehe, hast Du schon viel von uns und unseren Absichten gehört. Darf ich erfahren wer Du bist?“

„Ich bin Heiter Milram der Frühlingsquark.“

Usw. usw. usw.

Ich stand auf Messers Schneide…

Liebe Leserinnen und Leser,

tut mir leid, dass ich Sie schon wieder belästige, aber der Rub… äh.. der Euro muss rollen, in meine Brieftasche. Sie wissen ja, wie bescheiden es im Ansichtskartengeschäft aussieht heutzutage. Und deswegen möchte ich, was ich ja selten tue, etwas anpreisen und zwar mein neuestes Buch.

Ein schönes Geschenk und der perfekte Begleiter für stille Orte! 50 Jahre in 150 Seiten. Ein Destillat meines Schaffens.

Wie sagt Amazon so schön:

“Dieses Buch ist ein Sammelsurium schräger Satire, ein Wunderhorn wahnwitziger Wortspiele, ein Armutszeugnis abgeschmackter Alliterationen. Wer sich immer schon gefragt hat, wo das Sprichwort “Ein Käfer im Heu macht noch keine Jause” herkommt, was passierte als Graf Dracula Jack the Ripper traf, oder wie man sich korrekt bedankt, wenn man einen Seehund geschenkt bekommt, findet in diesem Band möglicherweise die Antwort. Neben dem Seehund gibt es noch den Riechhund, erotische und politische Lyrik, sowie verschollene Tagebücher in Vergessenheit geratener Widerstandskämpfer und die dramatische Entstehungsgeschichte von Pink Floyds ‘The Gnome’. Pawel Gurasijewitsch ist selbstverständlich ein Pseudonym, denn wenn dieser Autor von namhaften Fernsehproduktionen und internationalen Einkaufszetteln sich outen würde, könnte er möglicherweise gekitzelt werden. Es handelt sich um ein Kompendium seines fünfzig Jahre währenden Schaffens, ausgelassen wurden nur die obszönsten und grammatikalisch fragwürdigen Texte. Auf Anfrage werden diese nachgeliefert.”

Erhältlich hier: Ich stand auf Messers Schneide: Gedichte und Prosa aus fünf Jahrzehnten – Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Patrick Gurris